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Information zur Einstufung und Kennzeichnung von Titandioxid

Die Europäische Union hat am 18. Februar 2020 eine Delegierte Verordnung (EU)2020/217 im EU Amtsblatt veröffentlicht, die Titandioxid (TiO2) gemäß der EU-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung (CLP) von Stoffen und Gemischen durch Einatmen als karzinogenes Material der Kategorie 2 einstuft. Die Verordnung tritt am 9.März 2020 in Kraft. Sie gilt ab dem 9. September 2021.

Diese Einstufung folgt der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) und basiert nicht auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder neuen Verständnissen über potenzielle Gefahren. Der Text beabsichtigt, die Einstufung auf eine Gefahr zu beschränken, die mit dem Einatmen von übermäßigen Mengen an ungebundenem TiO2-Staub verbunden ist. Diese theoretische Staubgefahr ist nicht neu und kritischer weise ist sie nicht spezifisch für TiO2, sondern gilt prinzipiell für mehr als 300 Stoffe.

Die EU hat versucht, die Einstufung von TiO2 auf Pulver zu beschränken, und der Gesetzestext bezieht sich demnach auf "pulverförmiges TiO2 und Mischungen, die in Pulverform in den Verkehr gebracht werden und 1 % oder mehr TiO2 enthalten, das in Form von Partikeln enthalten ist". Flüssige und einige feste Mischungen sind nicht eingestuft, aber spezifische Warnhinweise und Kennzeichnungen müssen für Produkte, die mehr als 1% TiO2 enthalten, angebracht werden. Die Einstufung erkennt außerdem an, dass diese Gefahr nur bei längerer Inhalationsexposition gegenüber sehr kleinen TiO2-Partikeln in extrem hoher Konzentration auftritt (Anmerkung W der delegierten Verordnung besagt nämlich: Es wurde festgestellt, dass die Gefahr einer karzinogenen Wirkung dieses Stoffes besteht, wenn lungengängiger Staub in Mengen eingeatmet wird, die zu einer signifikanten Beeinträchtigung der natürlichen Reinigungsmechanismen für Partikel in den Lungen führen).

Diese besondere Fokussierung auf die Wirkungsweise von TiO2 Partikeln bringt es mit sich, dass der Unterschied zwischen der Einstufung bzw. Kennzeichnung (Etikett) von TiO2 als Pulver oder in Pulverform und der Kennzeichnung für flüssige und feste Gemische hervorgehoben werden muss:

Somit ist TiO2 in Pulverform laut der Verordnung ATP 14 wie folgt eingestuft:

  • Titandioxid in Pulverform mit mindestens 1% Partikel mit aerodynamischem Durchmesser ≤ 10 μm: Carc. 2, H353 (Einatmen)
  • Titandioxid Pulver Gemisch mit mindestens 1% Partikel mit aerodynamischem Durchmesser ≤ 10 μm: Carc. 2, H353 (Einatmen)

Und es gilt folgende Kennzeichnung:

Piktogramm

Signalwort: ACHTUNG
Gefahrenhinweis H351 (Einatmen): Kann bei Einatmen vermutlich Krebs erzeugen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Kennzeichnung für flüssige und feste Gemische unterscheidet zwischen beiden Aggregatformen:

  • Für flüssige Gemische die mindestens 1% Titandioxidpartikel mit aerodynamischem Durchmesser ≤ 10 μm enthalten: EUH 211: Achtung! Beim Sprühen können gefährliche lungengängige Tröpfchen entstehen. Aerosol oder Nebel nicht einatmen.
  • Für feste Gemische, die mindestens 1% Titandioxidpartikel enthalten: EUH 212: Achtung! Bei der Verwendung kann gefährlicher lungengängiger Staub entstehen. Staub nicht einatmen.

Schlussfolgerung

Es gilt keine Einstufung resp. Kennzeichnung von Produkten resp. Erzeugnissen die Titandioxid enthalten Die erwähnten Kennzeichnungen und Einstufungen beziehen sich primär auf die Verarbeitung von TiO2 Pulver. Die zusätzliche Kennzeichnung mit EUH211 oder EUH212 gilt für viele typische Anwendungsbereiche von Titandioxid wie z. B. Farben und Lacke. Sie betrifft somit nur Gemische, nicht aber Erzeugnisse. Zur Erinnerung: Erzeugnisse werden als Gegenstände definiert, die bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhalten, die in größerem Maß als die chemische Zusammensetzung ihre Funktion bestimmt (REACH Definition). Beispiele für Erzeugnisse sind Papier, (gefärbte) Polyesterfasern, Kunststoffprodukte oder Verpackungen.

Was ist im Arbeitsschutz zu tun?

Wenn der allgemein gültige Staubgrenzwert eingehalten wird, sind alle Maßnahmen getroffen, um die Beschäftigten wirksam vor den Gefahren von Titandioxid zu schützen. Eine Gefahr, an Lungenkrebs durch Einatmen von Titandioxid zu erkranken, ist bei Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte nicht vorhanden.

In der Schweiz werden von der Suva maximale Arbeitsplatzkonzentrationswerte (MAK-Wert) für gas-, dampf- oder staubförmigen Arbeitsstoffe in der Luft erarbeitet und regelmässig an die neuesten Erkenntnisse angepasst. MAK-Werte werden in dem Sicherheitsdatenblatt eines Stoffes aufgeführt (für TiO2 gilt 3 mg/m3) und müssen gemäss Chemikalienrecht beachtet werden. Es liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers, die Einhaltung der MAK-Werte sicherzustellen.

Sollte der MAK-Wert nicht eingehalten werden, so sind Schutzmassnahmen erforderlich: Substitution, Technische Massnahmen, organisatorische Massnahmen und zuletzt personenbezogene Massnahmen wie zum Beispiel Atemschutz.

gilt die Sicherheitsdatenblätter und die Etiketten der Lieferanten nach den neuesten Ausführungen zu bewerten und diese Erkenntnisse in den Arbeitsanweisungen aufzunehmen (Mit der Arbeitsanweisung konkretisiert der Arbeitgeber die im Arbeitsvertrag enthaltene Arbeitspflicht seiner Arbeitnehmer). So sollen die Beschäftigten über die neuen Regelungen informiert werden und anhand von Schulungen der Umgang mit Titandioxid entsprechend angepasst werden.

Fazit zu den kritischen Auswirkungen

Zur Erinnerung: Wie schon erwähnt fussen die gesundheitlichen Bedenken bei Titandioxid auf allgemeinen Partikeleffekten in der Lunge, und nicht weil Titandioxid stoffspezifisch eine Gefahr darstellt.

Für die Kunststoffverarbeitende Industrie und deren Akteure lassen sich somit grob folgende Auswirkungen ableiten*:

Für die Lieferanten und Vertriebshändler gilt es sicherzustellen dass die Gebinde konform etikettiert sind und dass die Sicherheitsdatenblätter dem neuesten Stand der Regulierungen in Bezug auf Vorgaben für Titandioxid entsprechen.

Der Verarbeiter (Spritzgiesser/ Extrudeur) wird die Arbeitsschutzmassnahmen laut Sicherheitsdatenblatt und Kennzeichnung im Betrieb umsetzen (siehe oben). Dies betrifft vor allem jene Prozessabläufe wo Staubentwicklung, sei es beim Mischen oder Compoundieren, kontrolliert werden muss.

Der Recycler muss abklären in welchem Ausmass die heutige Einstufung von Titandioxid eine Einstufung für den Abfall TiO2 haltiger Stoffe mit sich bringt. Auch wenn prinzipiell alle Titandioxidhaltigen Abfälle mit einem Anteil über 1 Prozent als gefährlicher Abfall zu behandeln sein werden, so besteht Handlungsbedarf seitens der Behörden punkto nachgelagerter Gesetzgebung Klarheit zu schaffen.

* Diese Ableitungen verstehen sich als Angaben allgemeiner Natur und sollen im Detail fallspezifisch ergänzt und überarbeitet werden.